Der „dunkle Frieden“

    Seghers Roman „Transit“ und die Bilder von Kabul

Es ist zum nachdenkenswerten Sinnspruch geworden: Nichts am Menschen ist so markant wie seine Stimme, denn es kehrt die Seele nach außen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es die gesprochene oder die gedruckte Stimme ist. Der iranische Regisseur Amir Koohestani hat Anna Seghers Roman „Transit“ für die Bühne adaptiert. Eigentlich sollte die Premiere im Hamburger Thalia Theater stattfinden  Jetzt wurde das Stück beim Kunstfest in Weimar uraufgeführt. Das Buch dazu hat inzwischen der Aufbau Verlag herausgebracht. Christa Wolfs  Anmerkung: „Eines der Bücher, die in mein Leben eingreifen,…so das ich sie alle   paar Jahre zur Hand nehmen muss.“

In einem vorab geführten Interview mit der Regisseur antwortete dieser auf die Frage, warum er gerade diesen Roman als Bezugspunkt zu Kabul genommen habe. „Die Bilder, die wir jeden Tag vom Flughafen in Kabul sahen, sind Wort für Wort auch in ,Transit ´beschrieben“. Gemeint waren die Wörter „Flucht“, „Vertreibung“ und „Widerstand“. „Nur die Zeit und der Ort sind verschieden. Menschen …fliehen, werden vertrieben in verschiedene Teile der Welt…Solange es Grenzen, Flüchtlinge, Botschaften, Vertreibung und Visa gibt, so lange ist es wichtig, zu unserer Literatur zurückzukehren, damit wir an diese Dinge immer wieder erinnert werden.“

Dann verwies der Fragende darauf, Thema und Text seien sehr deutsch. Seine Antwort:  „Transit“ sei etwas, „das nur Deutsche verstehen können“. „Macbeth“ können nur Schotten und Tschechows „Kirschgarten“ nur Russen „wirklich richtig verstehen“. Und zum Schluss schließlich diese Überlegung: „Wir wollten diese Adaption bereits 2020 starten. Aber durch die Pandemie wurde sie auf dieses Jahr verschoben. Das Konzept hat sich während dieser Zeit entwickelt, Erfahrungen aus der Pandemie sind eingeflossen.“  Warum ausgerechnet Weimar als Premiere-Ort den Zuschlag erhielt, wurde gefragt : Der Regisseur sei zwar noch nie dort gewesen, aber über die Präsenz in den Werken von Goethe und Schiller habe er „sehr viel gelesen“. Wörtlich: „Ich fürchte, die Situation von Flüchtlingen…hat kein Ablaufdatum.“

Zurück zu Afghanistan. Die Lage dort ist immer noch unübersichtlich. Die Menschen sind zumindest froh über das Ende des Krieges. Aber dieser jetzige Frieden ist ein „dunkler Frieden“. Inwieweit ein wirklicher Frieden möglich sein wird, steht in den Sternen. Denn das Ringen anderer gewalttätiger islamistischer Gruppen mit den Taliban ist noch lange nicht beendet. Er muss doch wohl die Frage erlaubt sein, wer die Schuld trägt, dass die Taliban ein zweites Mal an die Macht kommen konnten. Diesmal sogar ohne Waffengewalt. Der Westen hat auf der ganzen Linie versagt – zuvorderst die NATO. Mit der Installierung der Ampelkoalition unter Olaf Scholz  kann dieses Kapitel der Geschichte nicht abgehakt werden. Nach Corona muss die neue Bundesregierung und der neue Bundestag Stellung beziehen. Um der Wahrheit willen.    

Dr. Dieter Langer   

MEDIENINFO-BERLIN