Eine ostdeutsche Bilanz

Waren die 16 Merkeljahre gut tür unsere geschundene Seele

In Anlehnung an Arnold Schölzels Leitartikel im Rotfuchs 11/21. ob nun das „Ende einer Ära?* (übrigens auch der Titel des Großen Zapfenstreiches für Angela Merkel) gekommen sei. hier der Versuch einer ausgewogenen Bilanz mit Blickrichtung „Wir im Osten“. Die 16 Merkeljahre sind bekanntlich eine wenig mehr als die Hälfte der 31 Vereinigungsjahre, in denen sie ihr Amt ausübte. Uneitel, meist sachorientiert und fast emotionslos – eben als klassische in der DDR großgewordene Naturwissenschaftlerin mit FDJ-bezogenen Hintergrund hinsichtlich der Erziehung zu internationaler Solidarität. Sie hat deshalb alle Achtung verdient für die bewiesene Menschlichkeit in der Flüchtlingsfrage 2015.

Viele Ostdeutsche verbanden mit Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin große Hoffnungen. Zu große Hoffnungen, wie sich herausstellte. Außerdem musste sich Angela Merkel sich selbst erst mal gegen die Vorbehalte der beiden männlichen Machtmenschen Kohl und Weigel in Stellung bringen. Kurzum: Die berechtigten ostdeutschen Erwartungen über die Gleichbehandlung der Menschen aus dem beiden ehemaligen deutschen Staaten sind ja bis zum heutigen Tage nicht ausreichend verwirklicht worden. Uns wurde als sogenannte „Jammer-Ossis“ unterstellt, wir sollten gefälligst froh sein, jetzt Bundesbürger zu sein. Nur wenige Westdeutsche nahmen zur Kenntnis, dass bei uns kein Stein auf dem anderen blieb. Veränderungen, die viele unserer Mitbürger im Westen gar nicht ertragen hätten. Da hätten wir schon ein wenig Beistand von der Bundeskanzlerin mehr erwartet.

Bei allen Respekt vor Merkels Fleiß und Leistungswillen: Wo Licht ist. ist auch Schatten. Es darf doch erwartet werden, dass Fragen gestellt werden dürfen. Warum ist sie vor allem am Ende ihrer Dienstzeit die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt nicht entschlossener angegangen. Was hat sie z.B. gegen die schlechteren Bildungschancen für Kinder ärmerer Eltem getan ? Der Pflegenotstand ist unerträglich. Wie stehts um die Rentenaussichten für die jüngere Generation ? Die Kanzlerin hat unterschätzt, dass der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft in Gefahr ist.

Wir als Ostdeutsche werden genau hinschauen, welchen Stellenwert der Anspruch auf Wertschätzung unseres Lebens in der DDR im Regierungsprogramm der Ampel einnehmen wird. Welchen Einfluss wir auf die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens haben werden. Zählt doch mal zusammen, wie viele Koalitionäre aller drei Parteien eine ostdeutsche Wurzel hatten. Wir sind uns einfach zu schade, um nur als sogenanntes „Wahlstimmen­
vieh“ zu dienen. Wir pochen auf Gleichbehandlung !              

Dr. Dieter Langer für MEDIENINFO-BERLIN