Kraftakt des Gehirns

Über das Geheimnis des aktiven Zuhörens

Jemanden Gehör zu schenken ist sowohl eine Kunst als auch Ausdruck des guten Willens, einen anderen Menschen zu achten. Bereits der Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) wusste: „Der Zuhörer ist ein schweigender Schmeichler“. Schon zu seiner Zeit gehörte es zu einem guten Kommunikationsstil, „ganz Ohr zu sein.“ Inzwischen bestätigen zahlreiche Psychologie-Studien, dass aktive Zuhörer nicht nur sympathischer wirken, sondern auch selbstbewusster sind. Laut Institut für Demoskopie Allensbach gehört für 80 (!) Prozent der Deutschen Zuhören zu einem guten Gespräch.

Man unterscheidet vier Arten von Zuhörern:   Erstens der sogenannte Weghörer. Das sind einfach introvertierte Typen, die sich schwer auf andere einstellen können oder wollen. Zweitens der selektive Zuhörer, der alles ausfiltert, was ihm nicht in den Kram passt. Drittens der bewertende Zuhörer. Ihm geht es weniger um ein Gespräch als vielmehr darum, eine Debatte zu gewinnen. Er nutzt jede Atempause, um selbst zu Wort zu kommen. Und viertens gibt es den aktiven Zuhörer, also den Idealtyp des Zuhörens. Er schenkt seinem Gegenüber volle Aufmerksamkeit. Reine Arten des Zuhörens sind selten. Die meisten sind Mischtypen.

Leider ist aktives Zuhören gar nicht so einfach und ein echter Kraftakt für das Gehirn. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob man nur abwartet, bis man selbst sprechen kann oder ob man den Worten des Gegenübers zurückhaltend folgt. Da geht es auch um Selbstdisziplin. Anders ausgedrückt: Gute Gespräche, sei es von Angesicht zu Angesicht (analog) oder auch digital, sind heutzutage Mangelware. Weil die Politiker in ihren Fernsehauftritten sich andauernd ins Wort fallen. Ihre Selbstdisziplin ist meist unterentwickelt. Viele Menschen haben den unstillbaren Drang, eine entstehende Stille sofort zu füllen. Das alte Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ hat keinen hohen Stellenwert mehr.

Ein Ratschlag, der immer noch gilt: Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf das Gespräch und suchen sie Blickkontakt. Es ist vollkommen in Ordnung, dem Gesprächspartner und sich selbst Zeit zu geben, über das Gesagte erst mal nachzudenken, ehe man ins Gespräch eingreift. Keinen Wettbewerb um die Gesprächsanteil-Menge antreten, sondern die eigene Überzeugungskraft wirken lassen.                                                        Dr. Dieter Langer