Laborärzte begrüßen Corona-Beschlüsse
Die von Bund und Ländern beschlossene vorsichtige Lockerung der Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie wird vom Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL) begrüßt. Sie biete – bei gleichzeitigem Aufbau der Testkapazitäten – die Chance, weitere Kollateralschäden durch verschleppte Behandlungen anderer Erkrankungen zu verhindern. Die Praxen von Haus- und Fachärzten wieder fit zu machen für diesen schrittweisen Exit sei nun die zentrale Herausforderung im Gesundheitswesen, betont der BDL-Vorsitzende Dr. Andreas Bobrowski heute in Berlin.
Die Forderung, die Einsatzfähigkeit der Arztpraxen zu stärken, begründete er mit Erfahrungen aus den vergangenen Wochen. Danach war es wegen Corona-Verdachts immer wieder zu Praxisschließungen gekommen und zu stark verminderten Patientenbesuchen in den offenen Praxen. Aus den Praxen angeforderte Laboruntersuchungen, insbesondere zur Gesundheitsprävention, aber auch bei der Bestimmung von Medikamentenspiegeln und dem Monitoring chronisch kranker Patienten sind deutlich zurückgegangen.
Dadurch erhöht sich die Gefahr, dass schwere und ebenfalls lebensbedrohliche Erkrankungen nicht oder nur unzureichend diagnostiziert und im Verlauf überwacht werden. Bei den chronischen Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, Niereninsuffizienz, chronischen Darm- und Lebererkrankungen sowie Krebs kann es durch fehlende Laborkontrollen zu schweren Verläufen mit vermehrten Krankenhausaufenthalten kommen. Diese würden die ohnehin durch die Corona-Pandemie begrenzten Krankenhauskapazitäten weiter belasten. „Das ist eine medizinisch alarmierende Entwicklung“, sagte der BDL-Vorsitzende.
„Die große öffentliche Aufmerksamkeit für COVID-19 darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrzahl der Patienten an anderen Krankheiten leidet und auch sterben kann. Diese große Patientengruppe muss weiterhin auf dem Stand der medizinischen Erkenntnis diagnostiziert und therapiert werden.“ In diesem Rahmen nehmen Laboruntersuchungen eine überragende Stellung ein, denn die große Mehrzahl aller Diagnosen basiert auf Laboruntersuchungen.
Um zu vermeiden, dass die geplanten Erleichterungen eine neue Infektionswelle auslösen, müssten die Folgen der Lockerung perspektivisch durch Corona-Antikörpertests geprüft werden. Der BDL hofft, dass dazu im Mai aussagefähige Studien vorliegen, die den Einstieg in breitangelegte Antikörper-Testungen des Praxispersonals und ausgewählter Patientengruppen durch die medizinischen Laboratorien ermöglichen.
Der gezielte Einsatz von Antikörpertests bei medizinischem Personal, insbesondere von Haus- und Kinderarztpraxen sowie grundversorgenden Fachärzten wie HNO- und Lungenfachärzten, müsse so vorbereitet werden, dass er bei entsprechender Studienlage umgehend realisiert werden könne, so der BDL-Vorsitzende. Der Labormediziner geht davon aus, dass durch verbesserte Antikörpertests künftig rasch festgestellt werden könne, ob die Beschäftigten in Praxen und Krankenhäusern die Corona-Infektion bereits durchgemacht haben, immun und eventuell mit geringeren Schutzstandards einsatzfähig sind. Da die COVID-19 Erkrankung mit sehr unterschiedlichem Schweregrad verlaufen kann, wären solche Antiköpertests zusätzlich gerade auch bei Risikopatienten von enormer Bedeutung.
Sobald mehrere Diagnostika-Hersteller Antikörpertests in entsprechender Qualität zur Verfügung stellen könnten, sollten die Tests auf weitere Bevölkerungsgruppen ausgedehnt werden. „Wer bereits Antikörper aufweist, kann wieder weitgehend ungefährdet seiner Arbeit nachgehen, wodurch sich die individuellen wie gesamtwirtschaftlichen Folgen der Pandemie begrenzen lassen.“
Um dabei eine Zweiklassen-Medizin in der jetzigen, kritischen Pandemielage zu vermeiden, müssten die Antikörpertests – wie bereits die bisherigen PCR-Tests zur Akutdiagnose von COVID-19 – in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden. Nach Abklingen der Pandemie werde der Test bei der Untersuchung der Durchseuchungsrate der Bevölkerung eine zentrale Rolle spielen.
Ein Beitrag von Edelgard Richter / Dela Press