Reisebericht: LEHM + BACKSTEIN STRASSE

Ferienstrasse in Mecklenburg

LEHM + BACKSTEIN STRASSE

Um es gleich vorweg zu nehmen, die baulichen und historischen Höhepunkte auf dem 54 km langen Rundkurs im Landkreis Ludwigslust-Parchim entdecken wir in Gnevsdorf, Wangelin, Benzin und Bobzin. Seit 1999 besteht die Route zwischen Lübz und Plau am See (Tour 26). Vorgestellt wird die Herstellung von Backstein in Ziegeleien und seine Verwendung in Backsteinkirchen, alten Industriebauten und modernen Ökobauten. Wir starten an einem Sommer-Sonnentag in Ganzlin an der Landesstrasse 17. Im Ort selbst hat der anerkannte Förderverein FAL seinen Sitz. Rund um den Bahnhof warten noch viele alte Backsteinbauten auf neue Bausanierer

Unsere Fahrt führt durch eine leicht hügelige, wunderschöne Endmoränen-Landschaft, mit farbenprächtigen Wiesen, vielen kleinen und größeren Seen, bunten Feldern und ruhigen Wäldern. Eingebettet darin verschlafene Dörfer mit zahlreichen kulturhistorischen Objekten aus der Lehm- und Backsteinzeit. Als zweiten Stop haben wir Stift Marienfließ am Flüsschen Stepenitz gewählt mit dem Zisterzienserkloster, dem ältesten in der Prignitz (heute Pflegeheim). Hier dominiert die frühgotische Backsteinkirche von 1230 das weiträumige Areal derer zu Putlitz.

Klosterkirche Marienfließ

Das gesamte, meist landwirtschaftlich genutzte Gebiet der heutigen LEHM + BACKSTEINSTRASSE galt zu DDR-Zeiten als vergessene und politisch völlig unbedeutende Region. Dorthin hatte sich eine Reihe von Systemkritikern – die nicht ausreisen wollten – in die innere Emigration zurückgezogen. Den ersten Höhepunkt unserer Entdeckertour erleben wir im Garten in Wangelin. Hier heißt es: Beobachten – Begreifen – Staunen – Genießen auf einer Insel der Vielfalt. Mehr als 900 Pflanzenarten sind auf den 15.000 Quadratmetern und somit größten Heilkräutergarten Mecklenburgs zu bewundern. Neben Heilkräutern sind auch Duft-, Zauber- und Färbepflanzen anzutreffen, sowie ein Schmetterlingsgarten und ein typischer norddeutscher Bauerngarten. Uns interessieren aber vor allem die Objekte zum Lehm. Denn in den Lehmexperimentalbauten auf dem Gelände sind anschauliche Beispiele für alternatives Bauen zu finden. Touristen können sogar in Häusern aus Lehm und Stroh übernachten – angenehmes Wohnklima inklusive (www.wangeliner-garten.de ).

Wangeliner Garten

Weiter geht es knappe 3 km bis Grevsdorf. Man glaubt, in einer anderen Welt zu sein: Eine Bus-Haltestelle in Fachwerk, mit grasbewachsenem Holzdach und Lehmputz; ein Lehmhäuschen am Kinderspielplatz; Lehmbacköfen. Vor dem Lehmmuseum, dem Einzigen weltweit, erwartet uns Bauingenieur Burkard Rüger. Bild 5, 6

Bus-Haltestelle in Fachwerk
Burkard Rüger


Er zeigt uns Interessantes anschaulich rund um den Baustoff Lehm. Über Jahrtausende entstanden Häuser aus Lehm für die Bewohner. Auf der ganzen Welt sind noch heute Bauten aus Lehm erhalten und bewohnbar. Selbst ein Kapitel Ostzone haben Historiker im Museum wieder entstehen lassen: In Mecklenburg mussten die Neubauern nach 1945 ihre Häuser aus Lehm und Holz errichten. Letztes Jahr meldete sich ein Maurer, der die Technik von damals beherrscht und jetzt eine Mustermauer mit originaler Schalung nachgebaut hat. Das Museum ist zugleich Europäische Bildungsstätte für Lehmbau und bietet entsprechende Kurse und Weiterbildungen an (www.fal-ev.de).

Lehmmuseum


Gleich im benachbarten Ort Benzin wartet der nächste Reisehöhepunkt auf uns: das Ziegeleimuseum, ein Technisches Denkmal. Die Ziegelei Benzin wurde 1907/08 errichtet. Ein Tonvorkommen zwischen den Dörfern Broock und Benzin – damals noch ein Berg, jetzt ein romantischer See – bestimmte den Standort. Heute noch erhalten: die alte Technik in Funktion, eine Strangpresse und andere Rohstoffaufbereitungsmaschinen, der Hoffmannsche Ringofen, die Tongrubenbahn in 600 mm Spur.

Ziegeleimuseum Benzin

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in der Gegend mehr als 450 Ziegeleien. Alle Backsteine wurden in Handarbeit hergestellt. Aktuell beherbergen 2 ha des ehemaligen Grubenareals als Touristenservice das „DogValley“ – einen Hundefreilauf. Andreas Ziemann, selbst Züchter von Windhunden, erläutert: „Wir bedienen vor allem Urlauber und Kurzreisende mit Hund, die am Tag eine Tour per Boot oder Fahrrad machen wollen. Sie können ihren Liebling hier abgeben oder abholen lassen, wo er gut betreut wird. Aber wir sind kein Tierheim; Freilauf nur tageweise“ (andreas@dog-valley.de).

DogValley

Die Route führt jetzt nach Lübz, der bekannten Brauereistadt. Hier besichtigen wir den Amtsturm, die historische Wassermühle und das Planetarium. Kaffeepause beim Bäcker Lau, Am Markt 6. Tourismusinsider haben uns einen Abstecher nach Bobzin empfohlen zur Schleuse und zum Wasserkraftwerk. Bis dahin sind es gut 6 km und es lohnt sich. Die Schleuse ist Teil der Müritz-Elde-Wasserstraße und hat mit rund 7m den größten Hub aller Schleusen in Mecklenburg. Erbaut 1924 und erneuert 1997 arbeitet die Anlage meist im automatischen Betrieb ohne Schleusenwärter. Das Becken hat gemauerte Schleusenwände mit Stangen. Der Hub- bzw. Senkvorgang dauert rd. 15 Minuten. Gleich nebenan zu besichtigen das 1925 erbaute Wasserkraftwerk mitten im Naturschutzgebiet. Leistung 500 PS, umgesetzt per Generator auf 550 kVA. 1945 wurden alle technischen Anlagen von der Roten Armee demontiert und in die SU verbracht. Neubau einer gleichen Anlage im Jahre 1954 durch VEB Energieversorgung Schwerin. Das heutige neue Wasserkraftwerk erzeugt Strom in Höhe von 150 kW. Teile der alten Gebäude werden als Elektrizitätsmuseum genutzt. Das Gästehaus auf dem Gelände ist ein echter Reisetipp! (www.wasserkraftwerk-bobzin.de). Bild 10, 11

Schleuse Bobzin
Wasserkraftwerk


Nach soviel Technik fahren wir über Barkow (Backsteinkirche) zum Endpunkt Plau am See. Die 785 Jahre alte Stadt wimmelt als staatlich anerkannter Luftkurort nur so von Touristen. Für uns „Lehm- und Backsteiner“ interessant die malerische Altstadt, das Museum in der Plauer Burg und die Kirche „St. Marien“. Natürlich sollte noch Zeit bleiben für einen Besuch des 13,5 m hohen Leuchtturms mit fantastischem Panoramablick auf den Plauer See und den Hafen voller Bootshäuser, Motor- und Segelyachten (www.plau.de). Übrigens gewann die Lehm- und Backsteinstraße 1999 den Wettbewerb Sozialverantwortlicher Tourismus. Ein preiswertes Hotel für unsere Tour haben wir in Broock gefunden – auf halber Strecke an der B 191 zwischen Lübz und Plau. Das kleine „Hotel am Wornsberg“ wird von Dieter Stargardt und seiner Tochter Christin geführt. Seit 1996 empfängt das Team mit urdeutscher Küche seine in- und ausländischen Gäste. Gern erzählt der Hotelier vom Besuch einer Familie Brockmann aus Australien. Ausgewandert aus Deutschland vor Jahrhunderten, waren die Nachkommen jetzt auf der Suche nach ihren Vorfahren. Eine Hauptspur führte in die Broocker Backsteinkirche, in der auf einer originalen Holztafel von 1808 der Name Joh. Brockmann verzeichnet ist. Darüber hinaus konnten noch 8 lebende „Brockmänner“ ausfindig gemacht werden. Von der Big Party am Wornsberg spricht das Dorf noch heute (www.hotel-wornsberg.de). Text + Fotos: ©gk

Kirche Broock
Hotel Am Wornsberg_Broock
Ch. Lück
D. Stargardt

Kontakt: LEHM + BACKSTEINSTRASSE e.V.
Am Bahnhof 2, D-19395 Ganzlin,

Tel. 0049-(0)3873720207-20207

E-Mail: fal-ganzlin@otelo-online.de