Zahngesundheitsatlas Vorgestellt
Die Barmer Ersatzkasse stellte am 11. Juli 2019 in Berlin ihren Zahngesundheitsatlas vor. Danach gibt es der zahnmedizinischen Versorgung Deutschlandss zum Teil dramatische regionale Unterschiede: Bürger in Bayern greifen für Kronen, Brücken und Co. deutschlandweit am tiefsten in die Tasche. Sie zahlen im Schnitt 1.228 Euro als Eigenanteil zu ihrem neuen Zahnersatz zu und damit um fast 100 Prozent mehr als Patientinnen und Patienten in Sachsen-Anhalt, was vermutlich auch auf die Einkommenssituation zurückzuführen ist. In Sachsen-Anhalt liegt der Eigenanteil bei 628 Euro.
Deutliche regionale Unterschiede gibt es demnach auch bei Früherkennungsuntersuchungen für Kinder. Erneut ist Bayern an der Spitze. Hier liegt die Inanspruchnahmerate bei 42,5 Prozent. Schlusslicht sind die Saarländer (27,7 Prozent). „Wir wollen mit dem Atlas zur Zahngesundheit Transparenz schaffen und eine Diskussion über die bundesweiten Versorgungsunterschiede, Kosten und Nutzen anstoßen. Viele Ergebnisse aus dem Atlas lassen sich nicht zahnmedizinisch erklären. Zahnärzteschaft, Krankenkassen und Politik in Bund und Ländern sollten gemeinsam die Ursachen dieser Unterschiede diskutieren, um bundesweit einheitlich hohe Standards bei Beratung und Versorgung sicherzustellen“, sagte Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.
Festzustellen ist, dass es in vielen Versorgungsbereichen der Zahnmedizin Ost-West-Unterschiede gibt. Zum anderen scheint ein Stadt-Land-Gefälle vorzuliegen. Der Unterschied zwischen den östlichen und westlichen Bundesländern zeigt sich besonders bei dem Anteil der Bevölkerung, der zum Zahnarzt geht. Die Sachsen sind hier den Ergebnissen zufolge Spitzenreiter (77,1 Prozent), die Saarländer hingegen Schlusslicht (65,2 Prozent). „Die Gründe für die Unterschiede kennen wir nicht. Möglich wären tradierte Inanspruchnahmemuster, verschiedene Präventionsaffinitäten und ein unterschiedlicher Stellenwert des Bonussystems“, betonte Studienautor Prof. Dr. Michael Walter von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der TU Dresden.
Besonders eklatant sind die Ost-West-Unterschiede bei neuem Zahnersatz. Im Jahr 2017 lagen die Gesamtkosten je versorgtem Versicherten in den östlichen Flächenländern mit 1.274 Euro bis 1.379 Euro deutlich unter dem Bundesschnitt von 1.524 Euro. Am teuersten war der Zahnersatz in Niedersachsen mit 1.877 Euro. Auch bei der Kostenverteilung fielen die Unterschiede massiv aus. Der vom Patienten zu tragende Eigenanteil lag beim Zahnersatz in den östlichen Flächenländern mit 47,7 Prozent bis 50,2 Prozent deutlich unter Bayern und Baden-Württemberg. Dort trugen Patientinnen und Patienten mit ihrem Eigenanteil 66 beziehungsweise 66,7 Prozent der Kosten. Eine Ursache für hohe Kosten dürfte die verstärkte Wahl von aufwändigem, ästhetisch ansprechenderem und somit meist teurerem Zahnersatz sein, sagte Straub. Dabei sei die Regelversorgung nicht nur zweckmäßig, sondern auch haltbar. „Wenn aufwändiger Zahnersatz gewählt wird, stellt sich durchaus die Frage, ob das immer der alleinige Wunsch des Patienten ist“, so der Vorstandsvorsitzende.
Deutliche Unterschiede zwischen Stadt und Land waren zu verzeichnen: So bekamen 9,0 Prozent der Berliner und 8,7 Prozent der Hamburger im Jahr 2017 einen neuen Zahnersatz. Im Saarland waren es lediglich 6,4 Prozent und in Bayern und Rheinland-Pfalz jeweils 6,9 Prozent. Bundesweit traf dies auf 7,4 Prozent zu. „Dass vor allem die Versicherten in den Stadtstaaten häufiger Zahnersatz bekommen, könnte zum einen am leichteren Zugang zur Versorgung bei einer vergleichsweise hohen Zahnarztdichte liegen. Zum anderen könnten höhere ästhetische Ansprüche eine Erklärung sein“, sagte Walter. Zahnersatz und Zahnkronen versursachen hohe Ausgaben und die höchsten Eigenbeteiligungen. Trotzdem sind in den neuen Bundesländern geringere Ausgaben zu verzeichnen. Die Vermutung liegt nahe, dass dies nicht allein am verfügbaren Einkommen liegt, sondern auch daran, dass die Menschen dort mehr auf ihre Zahngesundheit achten und das Bonusprogramm der Barmer in Anspruch nehmen. Um die Regelversorgung an die zahnmedizinische Entwicklung anzupassen, sieht das Sozialgesetzbuch in geeigneten Zeitabständen eine Überprüfung vor.
Die durchgeführte Studie zeigt aber auch, dass die Inanspruchnahme der Regelversorgung stetig gesunken ist. Bei Patienten mit wenigen oder gar keinen Zähnen ist die Versorgung mit Implantaten sehr gering. 14 Jahre nach Einführung des Festgeldzuschusssystems sollte daher eine Überprüfung vorgenommen werden. Gerade für ältere Menschen mit Vollprothesen im Unterkiefer würde die Lebensqualität durch zwei Implantate bereits deutlich erhöht. Auch zahnlose Menschen sollten am medizinischen Fortschritt teilhaben.
Bei der Kieferorthopädie zeigt der Altas, dass die Inanspruchnahme bei den unter 20-Jährigen in Flächenländern etwas geringer ausfällt als im Bundesdurchschnitt. Dies könnte unter anderem an den weiten Wegen auf dem Land zum Kieferorthopäden liegen. Besonders bei den sogenannten Zahnschienen zeigt sich dies besonders deutlich. Je 3,7 Prozent der Hamburger und der Berliner brauchen eine solche Hilfe bei Beschwerden im Kieferbereich, zum Beispiel durch Zähneknirschen. Zum Vergleich, in Thüringen sind es nur 1,4 Prozent. „Der vergleichsweise stressige Alltag in Großstädten könnte ein Grund für die höhere Zahl von Aufbissschienen sein“, so Walter.
Deutliche regionale Unterschiede gibt es auch bei der Früherkennung. So wird die Untersuchung für kleine Kinder eher im Süden und im Osten genutzt und weniger im Norden und Westen Deutschlands. Die Inanspruchnahme pendelt zwischen 27,7 Prozent im Saarland und 42,5 Prozent in Bayern. Bundesweit waren 35,9 Prozent der Kinder zwischen dem 30. und 72. Lebensmonat bei einer Früherkennungsuntersuchung.
Ein Beitrag für Medieninfo Berlin von Edelgard Richter / Dela Press