Günstiges Zeitfenster

    Friedenswille und Diplomatie – Maß aller Dinge

An einem warmen 24. Juni vor zwanzig Jahren, also am 24. Juni 2002, steht „etwas abseits auf dem Platz vor dem Winterpalais (in St.Petersburg) ein weißer Lastwagen … hinter seinem verplombten Ladeluken liegt …ein Schatz, zerbrechlich und sicher verstaut. 111 Glasscheiben, bunt und in Blei gefasst, alle verpackt in Fichtenholzkisten, gebettet in keimfreien Filterflies.. Wenig später darf der Wagen der Berliner Spezialfirma für Kunsttransport losfahren“ (Märkische Oderzeitung). Und weiter im Blatt: „Fünf Tage nach der Abreise  biegt die wertvolle tonnenschwere Fracht unversehrtauf die Zielgerade ein. Auf das Kopfsteinpflaster vorm Südportal der St. Marienkirche in Frankfurt/Oder, wo sie von tausend sehnsüchtig und neugierig wartenden Menschen begrüßt wird… Über Jahrhunderte erfüllen die um 1367 eingesetzten Scheiben den Hallenumgangschor von St. Marien mit seinem erhabenen Glanz. Bis zum September 1941, wenige Wochen  nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, aus Angst vor alliierten Bombenangriffen ausgebaut…In den letzten Kriegstagen, als sich die Front der Oder nähert, werden sie ins Neue Palais im Park Sanssouci gebracht…In Potsdam werden die vier Frankfurter Kisten von einer Spezialeinheit der Roten Armee entdeckt“ und im August 1946 nach Leningrad, dem heutigen St.Petersburg gebracht…,wo sie „seitdem ein trostloses Schattendasein in den Kellern der Eremitage fristeten“.

Dem damaligen Kulturstaatsminister der Bundesrepublik Julian Nida-Rümelin ist es zu verdanken, der in „diesen widrigen Zeiten in den Verhandlungen mit Moskau… neue Wege geht. Beharrlich und mit leisen Tönen“. Letztlich erfolgreich. Martin Patzelt (damals Oberbürgermeister in Frankfurt/Oder), Weggefährde des Kulturstaatsministers, würdigt  das „Goldstück, das uns vor die Füße gelegt wurde“, so: „Die Bilderbibel spricht vom Menschen als Krönung der Schöpfung … Es sind Bilder, die anregen, über unsere Geschichte und unsere Zukunft nachzudenken“. Ein erhabener Moment, meint der bekennende Katholik, der ihn immer noch das empfinden lässt, was seine Gefühlswelt in den stillen Momenten schon damals vor 20 Jahren beherrscht habe –„große Dankbarkeit“. Nida-Rümelin äußert sich auch kritisch zu der heutigen gängigen Praxis, Kooperationen mit russischen  Wissenschaftlern auf Eis zu legen und russische Künstler nicht in Deutschland auftreten zu lassen. Wörtlich: „Diese Entwicklung ist falsch. Jetzt alle Kontakte zu kappen, heißt auch, Einflussmöglichkeiten  aufzugeben;“ Er verweist auf die Zeiten des „auslaufenden Stalinismus“ in den 1970er Jahren, wo Kooperationen begonnen haben. Er warnte , für den Angriffskrieg eines „machtgierigen Despoten“ gleich ein ganzes Volk „ in Haft zu nehmen“. Er wünscht den Frankfurtern, dass sie die Bilderbibel wertschätzen. „ Sie wird vielleicht noch nicht so wahrgenommen, wie es eigentlich nötig wäre…Es ist ein großer kultureller Schatz, der da zurückgekehrt ist.“ Dr.Dieter Langer