Merkels Amtszeit ist abgelaufen

Waren ihre 16 Kanzlerjahre gut für die ostdeutsche Seele ?

„Wir im Osten“, wir würden die Geschichte unserer Heimat ohnehin mit einer anderen Elle messen, wird uns vom Westen nachgesagt. Die 16 Merkeljahre sind ein wenig mehr als die Hälfte der 31 Vereinigungsjahre, in denen sie ihr Amt ausübte. Das Wort „Jammer-Ossi“ macht bei den „Besser-Wessis“ unverändert die Runde. Dabei können sich die meisten Westdeutschen gar nicht vorstellen, was es bedeutete, wenn seit 1989 bei uns kein Stein auf den anderen blieb. Uns wurden Veränderungen zugemutet, die viele unserer Mitbürger aus dem anderen Teil Deutschlands gar nicht ertragen hätten.

Wir verbanden mit Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin große Hoffnungen, zu große Hoffnungen, wie sich herausstellte. Denn Angela Merkel musste sich selbst erst Mal gegen die Vorbehalte der beiden Machtmenschen Kohl und Waigel durchsetzen. Aber auch sie konnten nicht verhindern, dass sie vier Mal zur Regierungschefin gewählt wurde. Viele ostdeutschen Erwartungen über die Gleichbehandlung der Menschen aus den beiden ehemaligen deutschen Staaten sind bis zum heutigen Tag nicht verwirklicht worden. Politik wohnt immer ein bisschen Symbolik inne. Das schafft bekanntlich Raum für das reale Leben. Wir als Ostdeutsche werden genau hinschauen, welchen Stellenwert unsere Interessen im Regierungsprogramm der Ampel einnehmen wird.

Ich habe mich mit vielen meinen ostdeutschen Mitbürgern über die Menschlichkeit der Kanzlerin gefreut, als es um den über uns hereinbrechenden Flüchtlingsstrom 2015 ging. Natürlich hat sie dabei Fehler gemacht. Die Frage der staatlichen Sicherheit wurde außer acht gelassen. Oder den Kommunen zuviel zugemutet. Für ihren fast historisch zu nennenden Satz „Wir schaffen das“ erntete sie im Ausland viel Lob. Im eigenem Land wurde sie hingegen unflätig beschimpft.

Voller Bewunderung schaute man im Ausland auf die Deutschen und ihre Kanzlerin, wie sie sich von ihrem Weg nicht abbringen ließ. Nicht umsonst wurde sie im Magazin „Time“ mehrmals zur „Frau Europa“ gekürt und mit dem Titel „Person des Jahres“ geehrt, und jetzt bei ihren Abschiedsbesuchen mit vielen Ehrungen bedacht. Auch der Bundspräsident hat sie zu recht gebührend gewürdigt. Es werden bestimmt nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik außenpolitischen Situationen eintreten, wo – zumindest hinter vorgehaltener Hand – danach gerufen wird: „Ach, wenn wir sie nur noch hätten“. Zumindest als politische Schlichterin zwischen EU und einzelnen EU-Staaten könnte sie fast jeden Tag gebraucht werden. Stand- und Durchsetzungsvermögen sind vor allem in der Politik immer wieder vonnöten

Dr. Dieter Langer