Früher war mehr Lametta…
ENGEL, HAKENKREUZ, FELSENDOM – CHRISTBAUMSCHMUCK VOM 19. JAHRHUNDERT BIS HEUTE
Eine kleine aber intensive Sonderausstellung im Deutschen Historischen Museum passt aktuell genau in Zeit und Jahreszeit. Rund um das Weihnachtsfest wird an deutsche Geschichte und Tradition erinnert – eine Hommage an urdeutsches christliches Brauchtum.
Seit Jahren sammelt das DHM Weihnachtsbaumschmuck, zuletzt erwarb es einen modern und international ausgerichteten Teilbestand der Sammlung Stille aus Frankfurt am Main. Dass diese Objekte der Alltagskultur weitaus mehr als banal und schön sind, zeigt die Intervention in der Dauerausstellung:
Der geschmückte Lichterbaum wurde zum Beispiel im NS-Staat politisch vereinnahmt und in der Bundesrepublik der 1960er/1970er Jahre in mancher Familie als Teil des weihnachtlichen Zeremoniells kontrovers diskutiert. Neben wirtschafts-, technik- und bildungsgeschichtlichen Aspekten zeigt die Präsentation Design und regt zu einer weltweiten Entdeckungsreise an.
Denn der Schmuck des „deutschen Weihnachtsbaums“ ist international geworden: Tourismus, Internet, die Migrationen von Menschen und ihrer Kultur haben ihn beeinflusst und bereichert. Die Sammlungs-präsentation verdeutlicht anhand von rund 500 Baumschmuck- und Designobjekten sowie Fotos die Vielfalt des Christbaumschmucks.
Unabhängig von der Verbreitung des Christentums wurde die Mitwinterzeit mit unterschiedlichen Brauchhandlungen begangen. So hoffte die von der Landwirtschaft abhängige Bevölkerung, mit grünen Zweigen Haus und Hof zu schützen sowie Frühjahr und kommendes Wachstum positiv zu beeinflussen.
Meistens war der Baumschmuck essbar. Äpfel, Nüsse, Brezeln gab es beispielsweise in Bremen, in Basel neben Äpfeln auch Käse. Mancherorts zierten auch Blüten aus buntem Papier die Zweige. Allmählich wurde der Weihnachtsbaum im 19. Jahrhundert zur festlichen Norm, zumindest im wohlhabenden städtischen Bürgertum.
Bald schmückten ihn nicht mehr nur Kerzen, Äpfel, vergoldete Nüsse und weitere Bastelarbeiten, sondern auch der ab etwa 1870 seriell hergestellte Christbaumschmuck:
gläserne Kugeln, Tannenzapfen, Nüsse, Vögel oder Trompeten, Kerzenhalter mit Klemmvorrichtung, Lamettagirlanden, Wachsengel, Wattefiguren, Tiere aus geprägtem Karton. Arme Familien konnten sich meistens keinen Baum leisten. Stattdessen schmückten sie ein Gestell aus Holz oderDraht.
Im 1. Weltkrieg war die Feldpost die einzige Verbindung zwischen Front und Heimat. Die Familien verschickten zu Weihnachten geschmückte Tannenbäumchen. Den heimischen Weihnachtsbaum dekorierten sie mit patriotischer Symbolik, wie mit modernem, erfolgreich eingesetztem Kriegsgerät. Gleichzeitig füllten mehr und mehr Todesanzeigen die Zeitungen.
Im totalitären NS-Staat wirkten viele verschiedene Organisationen und Dienststellen an der politischen Ausrichtung des Weihnachtsfests mit. Besonders die SS unter der Führung Heinrich Himmlers propagierte fanatisch die Ausrichtung des Weihnachtsfests zum „nordischen Julfest“ mit Julteller, Julbaum oder Julbock.
Nun zur Episode DDR: Der Engel, wurde traditionell in Seiffen im Erzgebirge hergestellt, geriet aber in die Kritik. Ein ideologisch überzeugter Werbefachmann schlug humorvoll beschwichtigend die Bezeichnung „Geflügelte Jahresendfigur“ vor, und das wurde tatsächlich in einem Katalog der gedruckt.
Mit einer gewissen Ironie trugen also die PR-Leute der DDR den Begriff in die sozialistische Gesellschaft. Insgesamt hat das Museum 250 Objekte in einem stilisiertem Weihnachtsbaum vereint.
Sie kommen aus dem Thüringer Wald, aus Lauscha, aus Gablonz in Böhmen, aus dem Erzgebirge, aus Kaschmir, von der Insel Bali, aus Mexiko, Puerto Rico, Ecuador, Chile, Peru, Kenia, Indien, China und Indonesien. Ihre Materialien sind vielfältig: Glas, Blech, Holz oder Karton, Watte und Wolle, Rosshaar, Stroh, Zelluloid oder Gewebe.
Sie wurden in jeweils dem Werkstoff angemessenen Techniken ausgeführt, also gedrechselt, geschnitzt, geprägt, gewickelt, gehäkelt, gestrickt, geflochten, geklebt, genäht. Eine anregende und auch historisch tiefsinnige Schau in der Mitte Berlins. gk
Fotos: ©DHM
Kontakt: Daniela Lange, Deutsches Historisches Museum, Unter den Linden 2 10117 Berlin
T +49 (0) 30 203 04-410 F +49 (0) 30 203 04-412 E presse@dhm.de