Nach der Flut in den Alltag /    Kita, Schule und ein eigener Radiosender  

Das Wasser stand nach der Flut bis auf dem Dachboden. Manchmal war es sogar bis zwanzig Zentimeter weiter bis auf dem Speicher vorgedrungen. Mittlerweile ist ein wenig Normalität in den Alltag eingekehrt. Aber immer noch weit entfernt vom gewohnten Lebenslauf. Das Gebäude der Kita-Tagesstätte Sankt Pius in Bad Neuenahr-Ahrweiler (übrigens keine 200 Meter bis zur Ahr) war nicht mehr zu retten.

Jetzt wird ein Teil der Kinder in einem Provisorium, dem Gemeindehaus im acht Kilometer entfernten Leimersdorf  betreut. Aber die Kleinen kommen mit „ganz furchtbaren Erfahrungen“ zu uns, berichten die Betreuerinnen. Beispiel: In der Kita sitzt ein dreijähriger Junge an einem Tisch und fährt mit einem Spielzeugauto auf und ab. Und spricht vor sich hin: „Dann wir gleich alle tot.“ Ein besonders starkes Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit wird verlangt. Gesucht wird Körpernähe. Besonders dann, wenn Regen zu sehen ist. Dringend gebraucht würden Psychotherapeuten und Traumaexperten.- aber schon in Normalzeiten kaum zu kriegen.

Da wird allmählich bekannt, dass ein Rundfunksender namens „Ahrtalradio“ seinen Betrieb aufgenommen hat. Gründer oder besser „Geburtshelfer“ ist Christian Milling, ein Journalist, der darauf hofft, das andere sich ihm anschließen. Gebraucht werden Medien, die die Seelen wieder aufrichten. Das Wort Medien kommt aus dem Lateinischen  und bedeutet „Vermittler“. „Guten Morgen allerseits“ könnte es aus dem Äther tönen. Ein Kinderprogramm wird gebraucht. Gebraucht wird aber vor allem unser aller Solidarität .- Geldspenden, Ideen, Anteilnahme, Mitarbeit etc.

Es hätte auch uns, unsere Kinder oder Enkel bzw.Ur-Enkel treffen können, was den Bewohnern des Ahrtals widerfahren ist. Nach Einschätzung von Psychologen des Koblenzer Eichenberg-Instituts leiden normalerweise etwa drei Prozent der Menschen dieser Region unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Wörtlich: „Nun sind dort mehr als 40.000 Menschen davon betroffen, von denen über 15.000 Menschen vom Kindes-bis Erwachsenenalter psychiatrisch behandlungsbedürftig sind“. Damit die Symptome nicht chronisch werden, müsse zudem schnell gehandelt werden.    

Lassen wir unsere Mitbürger nicht im Stich. Vor allem nicht im Vorfeld von Weihnachten Jeder sollte darüber nachdenken, wie er helfen kann. Mich bewegt immer wieder der kleine dreijährige Junge mit dem Todestraumata. Ich würde mir wünschen, dass das „Kinderspiel des Jahres“ 2021 in viele Ahrtal-Kinderhände kommt, das Spendenkonto für die Flutopfer weiter anwächst oder auch nur ein Kind-zu-Kind-Brief mit ganz persönlichen Gedanken auf den Weg gebracht wird. Der Weihnachtsmann hat viele Gesichter und sehr unterschiedliche Geschenke im Christkind-Sack.

                       Dr. Dieter Langer