Viele Kleinkinder nicht geimpft
In Deutschland gibt es trotz steigender Impfquoten
deutliche Impflücken bei hunderttausenden Kleinkindern und Jugendlichen. So war
mehr als jedes fünfte im Jahr 2015 geborene Kind in den ersten beiden
Lebensjahren nicht oder unvollständig gegen Masern geimpft.
Im Jahr 2017 waren damit hochgerechnet auf Basis der Daten von
BARMER-Versicherten bundesweit knapp 166.000 Zweijährige ohne vollständigen
Masernschutz. Zudem war jede fünfte Zweijährige, also knapp 81.000 Mädchen,
nicht vollständig gegen Röteln geimpft. Dies geht aus dem Arzneimittelreport
2019 der BARMER hervor, den die Krankenkasse am Donnerstag in Berlin
vorgestellt hat. 3,3 Prozent der 2015 geborenen Kinder hatten in den ersten
beiden Jahren demnach überhaupt keine der 13 Impfungen erhalten, die die
Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt. Das entspricht knapp 26.000
ungeimpften Mädchen und Jungen. „In Deutschland werden immer noch zu wenige
Kinder geimpft. Das macht die Ausrottung bestimmter Infektionskrankheiten
unmöglich und verhindert den Schutz für all diejenigen, die sich nicht impfen
lassen können. Wir brauchen zielgruppenspezifische Impfkampagnen, um die
Skepsis und mögliche Ängste vor Impfungen abzubauen“, sagte Prof. Dr. Christoph
Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER. Erforderlich seien auch strukturierte
Fortbildungsprogramme für Ärzte, um einen adäquaten Dialog mit Impfskeptikern
zu trainieren.
Laut Arzneimittelreport der BARMER gibt es aber nicht nur Impflücken bei den Kleinsten, sondern auch bei älteren Kindern. So wurde bei den Kindern im einschulungsfähigen Alter bei keiner der 13 wichtigsten Infektionskrankheiten ein Durchimpfungsgrad von 90 Prozent im Jahr 2017 erreicht. Dabei wäre für eine ausreichende Herdenimmunität, die auch nicht geimpften Personen Schutz bietet, eine Immunisierungsrate von mindestens 95 Prozent erforderlich. „Die Impflücken bei Kleinkindern in Deutschland sind größer als bisher bekannt. Der Arzneimittelreport der BARMER liefert aufgrund der gewählten Methodik der Analysen erstmals ein Bild von den tatsächlichen Impfquoten“, sagte der Autor des Arzneimittelreports, Prof. Dr. Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken. So würden bei den häufig zitierten Schuleingangsuntersuchungen die Impfquoten nur anhand der vorgelegten Impfpässe ermittelt. Dabei werde der Impfstatus von Kindern, die keinen Impfpass vorlegen, nicht berücksichtigt. Das führe zu höheren, unrealistischen Impfquoten, betonte Grandt, denn nicht geimpfte Kinder hätten natürlich auch keinen Impfpass.
Nach dem Report, der auf Analysen von Dr. Veronika Lappe von der „PMV forschungsgruppe“ an der Universität zu Köln basiert, gibt es nicht nur bei Masern, sondern auch bei Mumps Impflücken. So waren nur 88,7 Prozent der Sechsjährigen im Jahr 2017 gegen Mumps geimpft. Obwohl die STIKO ein Nachimpfen gegen beide Krankheiten bis zum 17. Lebensjahr vorsieht, erfolgten nach der Einschulung mit der Ausnahme von Sachsen, wo dies durch den landesspezifischen Impfkalender erklärt wird, praktisch keine Impfungen mehr. Dies sei, so der BARMER-Vorstandschef, auch deshalb äußerst bedenklich, da die Kinder und Jugendlichen ihre Impflücken auch im Erwachsenenalter behalten würden und bei Auftreten eines Erkrankungsfalls das Risiko regionaler Epidemien steige. Allein mit der Impfung von Kindern sei dem Problem also nicht beizukommen. „Zur Schließung von Impflücken ist es hilfreich, an Impfungen konsequent zu erinnern. Die BARMER bietet ihren Versicherten daher einen digitalen Impfplaner an. Er ist Teil der BARMER-App, zeigt Impflücken auf und weist auf Auffrischimpfungen hin“, sagte Straub. „Die Überprüfung des Impfstatus von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen samt Aufklärung über Durchführung von Nachimpfungen sollte im Rahmen von hierzu festzulegenden Vorsorgeuntersuchungen erfolgen. Analog zu den Programmen zur Krebsvorsorge brauchen wir eine strukturierte Infektionserkrankungs-Vorsorge“, forderte Grandt.
Aus dem Arzneimittelreport gehen darüber hinaus deutliche regionale Unterschiede bei den Impfquoten hervor. So waren die Impfquoten bei den Zweijährigen des Jahrgangs 2015 in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein vergleichsweise hoch und in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen und Thüringen hingegen gering. In Bayern waren auch 5,3 Prozent der Zweijährigen überhaupt nicht geimpft, während dies in Brandenburg nur auf 2,2 Prozent der Kleinkinder zutraf. Ein ähnliches Bild ergab sich bei den älteren Kindern. So waren in Bayern 3,5 Prozent der Sechsjährigen des Jahrganges 2011 gegen keine der 13 wichtigsten Infektionskrankheiten geimpft. In Brandenburg traf dies nur auf 1,2 Prozent zu.
Ein Beitrag für Medieninfo Berlin von Edelgard Richter / Dela
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